Die Bedeutung der Selbstauswahl

Die Qualität einer Personal-Auswahlentscheidung hängt nicht nur von der Güte der eingesetzten Auswahlinstrumente (Tests, Interviews, Assessment Center etc.) ab, sondern auch – und insbesondere – von der vorher stattfindenden Selbstselektion. Ganz einfach: Je besser die Selbstselektion, desto besser die Personalauswahl. Diese Zusammenhänge der Selektionsdiagnostik lassen sich auf wunderbare Weise anhand des Taylor-Russell-Modells aufzeigen. Wer zukünftig eine Chance haben will, in hinreichender Anzahl „passende“ Kandidaten zu rekrutieren, muss verstehen, dass Personalauswahl beides ist: Fremdauswahl durch das Unternehmen („Recruiting“) UND Selbstauswahl durch den oder die Kandidaten (beeinflusst durch „Employer Branding / Personalmarketing“).

SelfAssessments verbessern die Selbstauswahl

Ein hervorragendes Instrument zur Verbesserung der Selbstselektion sind sog. SelfAssessment-Verfahren, also Instrumente, mit deren Hilfe ein Interessent herausfinden kann, ob das Unternehmen oder der Job überhaupt zu ihm passen, er diesen „kann“ oder darauf Lust hat.

Unter SelfAssessments werden entweder Übungen, die unterschiedliche Personenmerkmale nach eignungsdiagnostischen Kriterien überprüfen („Selbsttests„) oder Aufgaben, die berufs- oder studientypische Aspekte „erlebbar“ machen (Berufsorientierungsspiele, „Realistic Job Previews“) verstanden, bei denen die Qualität des Bearbeitungsergebnisses jedoch NUR dem Kandidaten rückgemeldet wird.

Entsprechend der TEWeB Studie des schwedischen Marktforschungsunternehmens Potentialpark sind mehr als 4/5 JobSeekers in den Zielgruppen Schüler und Studierende an SelfAssessments interessiert.

Es gibt inzwischen zahlreiche Beispiele für realisierte und mehr oder weniger gelungene SelfAssessments, sowohl von Unternehmen als auch von Hochschulen (hier zu Zwecken der Studienorientierung). Die wahrscheinlich umfänglichste kommentierte und bebilderte Übersicht findet sich bei uns im Recrutainment Blog.

Welche Arten von SelfAssessments gibt es? Ein Modell.

Allen SelfAssessments ist die Zielsetzung der Verbesserung der Selbstauswahl gemein, aber es gibt dennoch systematische Unterschiede. SelfAssessments lassen sich im Hinblick auf drei Dimensionen systematisch unterscheiden:

1. Hinsichtlich ihrer Zielsetzung,
2. bezüglich ihres methodischen Ansatzes und
3. nach ihrer „Mächtigkeit“, also dem Umfang der Applikation.

Dimension 1: Die Zielsetzung

Bzgl. der Zielsetzung gibt es erstens grundsätzlich solche SelfAssessments, deren vorrangiger Zweck es ist, ein oder mehrere Berufsbild(er) erlebbar zu machen bzw. darüber zu informieren. Wenngleich auch hier zumeist ein Unternehmen oder eine Hochschule als Absender in Erscheinung tritt, geht es vor allem darum, die Besonderheiten des Jobs, bzw. der Tätigkeit zu transportieren und so einem möglichen Kandidaten die Frage zu beantworten, ob diese(r) etwas für ihn sein könnte („Person-Job-Fit“).

Eine andere Zielsetzung verfolgen hingegen solche SelfAssessments, die dem Nutzer eine Antwort auf die Frage liefern, ob er zu einem bestimmten Arbeitgeber passt („Person-Organization-Fit“). Folglich stehen hier oft grundlegende Aspekte wie Unternehmenswerte oder unternehmensindividuelle Kompetenzmodelle im Vordergrund.

Dimension 2: Die Methodik

Hinsichtlich der eingesetzten Methodik gibt es erstens solche SelfAssessments, die eher „eignungsdiagnostisch“ im Sinne eines SelbstTESTS konstruiert sind. Hier steht im Kern zumeist eine Art Fragenkatalog, der die zu testenden Konstrukte operationalisiert. Im Hintergrund laufen diese Antworten gegen einen Auswertungsalgorithmus, der die Antworten bewertet und am Ende zu einem Ergebnis verdichtet, was als Feedback an den Nutzer kommuniziert wird.

Davon zu unterscheiden sind SelfAssessments, die eher im Sinne eines Spiels oder einer Simulation zu kommunizierende Aspekte „erlebbar“ machen. Hier heißt es sinnbildlich: „Schön, dass Sie da sind, dann übernehmen Sie mal…“. Bei dieser Art „Berufsorientierungsspiel / Serious Game“ lassen sich die Aufgaben zwar auch „unterschiedlich gut“ lösen, so dass der Nutzer in der Regel auch ein Feedback erhält, doch liegt der eigentliche Hauptnutzen weniger im Feedback als vielmehr im Spiel selbst. „Der Weg als Ziel“ hilft die Frage zu beantworten, ob man „zu so etwas Lust hat“ oder „so etwas kann“. Solche SelfAssessments sind in der Regel aufwendiger (sowohl in der Erstellung als auch für den Nutzer), schaffen dafür aber auch Einblicke in einer anderen Qualität. Diese Form von SelfAssessments fällt in die Kategorie der „Realistic Job Preview Verfahren“.

Dimension 3: Der Umfang

Die dritte Unterscheidung von SelfAssessment Verfahren lässt sich hinsichtlich ihrer „Mächtigkeit“ bzw. ihres Umfangs vornehmen. Die sinnvollste Operationalisierung dieses Merkmals dürfte die Nutzungsdauer sein, also die vom Nutzer aufzuwendende Zeit, um das Instrument entweder komplett oder zumindest einen „aussagekräftigen“ Zeitraum lang zu nutzen.

Die weiter oben dargestellte Grafik zeigt diesen Möglichkeitsraum von SelfAssessments einmal auf. Die jeweilige Zielsetzung und die verwendete Methodik spannen dabei einen zweidimensionalen Raum auf, in dem sich SelfAssessments verorten lassen. Die Mächtigkeit des Instruments kann dabei durch die Größe des jeweiligen Kreises als dritte Dimension eingefügt werden. Hierbei bietet sich eine Unterteilung in die Kategorien „weniger als 10 Minuten“, „10 bis 30 Minuten“, „30 bis 60 Minuten“ und „mehr als 1 Stunde“ an.